Zum Gedenken an Genosse Dieter aus dem Siepen

Wir gedenken eines großen Mülheimers, denn am 5. Juli 2022 wäre Dieter aus dem Siepen 100 Jahre alt geworden.

Dieter wurde zwar in Kettwig (damals noch eigenständig) geboren, doch sind seine Verdienste um unser Mülheim an der Ruhr so zahlreich, dass man ihn guten Gewissens als Mülheimer Urgestein bezeichnen kann. Sein Leben und Wirken sind von zahlreichen Erfolgen geprägt – sowohl im privaten als auch im politischen Bereich.

Im Alter von 18 Jahren machte er sein Abitur, doch wurde sein Lebensweg durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen; er wurde als Soldat eingezogen, landete in Kriegsgefangenschaft, hatte aber das Glück bereits 1946 zurückkehren und ein Studium der Pädagogik beginnen zu können. Bereits im November 1947 wurde er Lehrer an der Grundschule an der Hölterstraße. Dem Schulsektor blieb er sein ganzes Leben lang treu: Im Jahre 1952 wurde er Konrektor an der Zastrowstraße, 1962 Rektor an der Gneisenaustraße und schließlich 1968 Rektor der Hauptschule an der Bruchstraße.

Viele wissen sicher, dass Dieter aus dem Siepen erst Bürgermeister von einem der damals zwei Mülheimer Bezirke und von 1974 bis 1982 sogar Oberbürgermeister der Stadt war. Zu dieser Zeit war Oberbürgermeister noch ein Ehrenamt und viele, der heute dem Amt innewohnenden, Kompetenzen lagen beim Oberstadtdirektor. Doch wer glaubt, Dieter hätte aufgrund dieser Ehrenamtlichkeit des Amtes politisch wenig geleistet, liegt wohlgemerkt völlig daneben – das wissen vor allem seine Weggefährt*innen zu berichten.

Kurz nach dem Krieg ist Dieter der SPD beigetreten, hatte nach seinem Umzug nach Mülheim schnell mehrere Funktionen im SPD-Distrikt „Altstadt“ inne und wurde 1952 dessen Vorsitzender. Genoss*innen preisen bis heute seine Geselligkeit sowie seine Scharfsinnigkeit. 1967 wurde er für die SPD in den Rat der Stadt gewählt und der Rat wählte ihn bereits zwei Jahre später zum Bürgermeister. Zugleich war er Mitglied im Hauptausschuss sowie im Ältestenrat. Dort mischte er nicht bloß mit, sondern etablierte sich als federführend. Bei seiner Wahl zum Oberbürgermeister blieb er nicht rein repräsentativ für Mülheim an der Ruhr – er übernahm auch den Vorsitz des Hauptausschusses, des Ältestenrates, des Ausschusses für Gesundheit und Soziales sowie des dazugehörigen Unterschausschusses zur Vergabe von städtischen Altenwohnungen und den Vorsitz der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Drogensucht des Jugendwohlfahrtsausschusses.

Ein stolzes Pensum!

Viele Weichen wurden in Mülheim an der Ruhr in der Zeit des Wirkens von Dieter aus dem Siepen gestellt. Zu viele, um sie alle aufzuzählen. Die Schloßstraße wurde zur Fußgängerzone, die „Stadtbahn“-heute die Linie U18 brachte unsere Stadt mit dem benachbarten Essen enger zusammen, die Fliednerwerke entstanden, auch die Mülheimer Theatertage „Stücke“ wurden ins Leben… die Liste könnte lange fortgeführt werden. Immer stand der Mensch im Zentrum von Dieters Handeln. Besonders die jungen Menschen. Der Bildung blieb er nicht nur als Schulrektor treu, sondern auch als Verfechter einer modernen Schulpolitik im Rat der Stadt, sowie durch sein Engagement für den Aufbau Mülheims erster Gesamtschule (Gustav Heinemann).

Es gibt zahlreiche Gründe, die Erinnerung an Dieter aus den Siepen zu pflegen. Doch einen Grund darf man hervorheben, der wie kaum ein zweiter von seiner unglaublichen Weitsicht zeugt: Sein inspirierender Einsatz für Mülheims Städtepartnerschaften. Gleich mehrere seiner Beiträge in den Jahrbüchern der Stadt Mülheim widmete er diesem Thema. Wenn ihm als Politiker eine Sache wichtiger zu sein schien, als sein eigener Kontakt zu den Bürger*innen, dann der Kontakt zwischen Menschen verschiedener Staaten, in einem noch immer vom Krieg traumatisierten Europa.

Dieter verstand, dass Delegationen von Politiker*innen und wirtschaftliche Annäherung lediglich einen Rahmen schaffen können, doch der Frieden in Europa und der Welt aber nur dadurch gewährleistet werden kann, dass die Menschen einander kennen und schätzen lernen. Ganz in diesem Sinne stehen die Worte, die er 1978 anlässlich der Verleihung der Ehrenfahne des Europarates an die Stadt Mülheim für Verdienste um die europäische Einigung, sprach:

„Das ist für die Stadt Mülheim Ansporn und Verpflichtung, nicht nachzulassen in dem Bemühen, die Freundschaften, die sie mit Darlington, Tours, Berlin-Tiergarten und Kuusankoski eingegangen ist, zu pflegen, zu intensivieren und zu vertiefen.“

Im Jahre 1981 wurde bei Dieter aus dem Siepen Lungenkrebs diagnostiziert, dem er ein Jahr später erlag. Bis zum Ende seines Lebens nahm er dennoch seine Ämter wahr und kämpfte gegen die Krankheit, indem er sich einer Chemotherapie unterzog.
Dennoch gelang es ihm, seine humorvolle Art auch in dieser Zeit beizubehalten. So berichtete mir eine Genossin, die sich damals nach seiner Gesundheit erkundigte, von seiner Antwort:

„Ich seh‘ zwar aus wie Kojak, aber zur Mitgliederversammlung komm‘ ich trotzdem.“

Am 5. Juli wäre Dieter aus dem Siepen 100 Jahre alt geworden. Die Freude seiner Anwesenheit bleibt uns vergönnt, doch dürfen wir die Freude an seine Erinnerung teilen.

In diesem Sinne,

happy Birthday, lieber Dieter!