Schreiben an den Botschafter der Islamischen Republik Iran

... nicht erst seit heute, aber mit zunehmender Intensität, erfüllen mich als Abgeordneter des Landtags von Nordrhein-Westfalen, als Demokrat und als Mensch die Nachrichten über die Menschenrechtslage in Ihrem Heimatland mit großer Sorge. Der aktuelle legitime Protest insbesondere der jungen und weiblichen Bevölkerung im Iran für mehr politische und persönliche Rechte wird vom dortigen Regime unter Missachtung aller Abkommen über die grundlegenden Menschenrechte auf die brutalste Art und Weise bekämpft. ...

Botschaft der Islamischen Republik Iran
Herrn Botschafter
Mahmoud Farazandeh
Berlin

Menschenrechtssituation im Iran, Zustand von Hojat Mirzai

 

Sehr geehrter Herr Botschafter Farazandeh,

nicht erst seit heute, aber mit zunehmender Intensität, erfüllen mich als Abgeordneter des Landtags von Nordrhein-Westfalen, als Demokrat und als Mensch die Nachrichten über die Menschenrechtslage in Ihrem Heimatland mit großer Sorge. Der aktuelle legitime Protest insbesondere der jungen und weiblichen Bevölkerung im Iran für mehr politische und persönliche Rechte wird vom dortigen Regime unter Missachtung aller Abkommen über die grundlegenden Menschenrechte auf die brutalste Art und Weise bekämpft.

Das ist für mich nicht hinnehmbar und erfordert eine eindeutige Reaktion aller politischen Vertreterinnen und Vertreter, die sich zur Rechtsstaatlichkeit bekennen. Deshalb erkläre ich ganz ausdrücklich meine Solidarität mit der Protestbewegung im Iran.

Gleichzeitig bringe ich mit diesem Schreiben auch meinen persönlichen Protest über das Vorgehen des iranischen Regimes zum Ausdruck. Häufig scheint es mehr politisch motiviert, denn juristisch fundiert zu sein. Zum Glück geschieht dieses nicht einmal mehr im Schutze der Dunkelheit, sondern vor den Augen der Weltöffentlichkeit. So haben diese Schicksale Gesichter und Namen.

Einer dieser Namen ist Hojat Mirzai. Er ist 22 Jahre alt und wurde in Teheran nach der Beerdigung seines Vaters von Regimekräften entführt. Für ihn habe ich eine politische Patenschaft übernommen. Gerne wäre ich mit ihm persönlich in Kontakt getreten, aber wie seine Familie habe ich keine Informationen über ihn und seinen Zustand.

Ihm wird vorgeworfen, Proteste angeführt zu haben. Da diese vagen Anschuldigungen bis heute nicht detailliert begründet wurden und auch kein den Grundsätzen eines Rechtsstaates genügendes Verfahren eröffnet wurde, fordere ich die iranische Republik hiermit unmissverständlich auf, ihn sofort auf freien Fuß zu setzen und unversehrt zu seiner Familie zurückzubringen. Sie, Herr Botschafter, ersuche ich hiermit, dieses Anliegen weiterzutragen und sich hierfür stark zu machen.

Hiermit ist es aber nicht getan. Tausende Fälle wie dieser sind bekannt. Die Gewalt gegen das iranische Volk und dessen Unterdrückung durch das Regime und die Sicherheitskräfte als Folge eines friedlichen Protestes müssen aufhören. Ich sage es Ihnen sehr deutlich: Ein System, das seine vermeintliche Macht auf Unrecht, Angst, Unterdrückung und Folter stützt, darf keine Zukunft haben und wird keine Zukunft haben.

Deshalb müssen im Iran unverzüglich ohne Einschränkungen die grundlegenden Menschenrechte hergestellt werden, dazu gehören insbesondere die körperliche und geistige Unversehrtheit. Das Grundrecht auf Versammlung, auf friedlichen Protest und die freie Meinungsäußerung muss zukünftig garantiert sein.

Sofort müssen alle Angehörigen Informationen über den Verbleib und den gesundheitlichen Zustand ihrer verschleppten Angehörigen erhalten. Alle zu Unrecht und ohne Anklage inhaftierten Iranerinnen und Iraner müssen sofort freigelassen werden. In einem eventuellen Verfahren müssen sie einen Rechtsbeistand ihrer Wahl erhalten. Darüber hinaus müssen unabhängige Prozessbeobachterinnen und Prozessbeobachter zugelassen werden.

 

Sehr geehrter Herr Botschafter Farazandeh,

alle politisch Verantwortlichen im Iran, so auch Sie, entscheiden heute über die Zukunft ihres Landes; auch wie die Welt zukünftig auf den Iran blicken wird. Seit Beginn der Proteste Mitte September habe ich von Regimeseite nur Eskalationen der Situation und Einschüchterungsversuche wahrgenommen. Damit muss Schluss sein. Nach den Gräueltaten der letzten Monate, die mit Sicherheit einer unabhängigen Aufarbeitung bedürfen, haben Sie heute die Möglichkeit, den Kampf des iranischen Regimes gegen seine Jugend, gegen seine Frauen, gegen sein Volk zu stoppen und ihnen eine Zukunft in ihrer Heimat zu bieten. Ich appelliere an Sie: Nutzen Sie die Chance. Sie wird nicht mehr lange bestehen.

 

Ihrer Antwort sehe ich zeitnah entgegen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Kutschaty MdL


weitergehende Links:
Schreiben an den iranischen Botschafter